"Modell einer idealen Welt"
Mein lieber Freund,
wie versprochen, erzähle ich Dir von der Internationalen Sommer-Universität in Bamberg. Unser Kurs dauerte ungefähr einen Monat, vier unvergessliche Wochen. Die Sommer-Uni wurde von etwa 100 Studierenden und Stipendiaten aus fast 30 Ländern besucht. Ich finde, die Sommer-Uni ist wie ein Modell einer idealen Welt, eine Art Traumwelt, in der Studierende aus den verschiedensten Ländern zusammen Zeit verbringen und Spaß haben können. Wir waren wie eine große Familie – und das finde ich am wichtigsten.
Wir konnten untereinander problemlos kommunizieren. Ich hatte zum Beispiel in Bamberg einige amerikanische Freunde. Wir sind zusammen gereist und haben unsere Freizeit zusammen verbracht. Obwohl zwischen den einzelnen Ländern Konflikte bestehen, weil sich die Länder durch ihre Politik und Ökonomie voneinander entfernen, haben wir uns alle sehr gut verstanden. Das Interesse an der deutschen Kultur und Geschichte hat uns Teilnehmer und Teilnehmerinnen, unabhängig von der Herkunft, vereint.
Alles drehte sich ums Reisen
Das Thema unserer Sommer-Uni lautete Die Reise: literarisches Motiv, narrative Struktur, erkenntnistheoretische Perspektive. Aus diesem Grund besuchten wir nicht nur Seminare über das Reisen, sondern sind auch selbst viel durch ganz Deutschland gereist. So habe ich die Städte Nürnberg, München, Frankfurt, Wiesbaden und Würzburg gesehen. Allerdings finde ich Bamberg doch am schönsten und interessantesten. Vielleicht deswegen, weil ich selbst in der großen Stadt Moskau lebe. Deshalb erscheint mir Bamberg wie eine Stadt, in der niemand in Eile ist und alle harmonisch zusammen leben.
Liebe auf den ersten Blick
Ich habe mich auf den ersten Blick in diese Stadt verliebt. Sie wird von der Kunigunde behütet, die mir zugelächelt hat. Man sagt, dass Bamberg die Hauptstadt der Biere ist. Momentan gibt es in Bamberg ungefähr zehn Brauereien, die miteinander konkurrieren. In Bamberg trinken alle Bier, angefangen von den jungen Leuten bis ins hohe Alter. Die Spezialität ist hier das Rauchbier. Allerdings denke ich, dass dieses Bier hauptsächlich für Touristen gemacht ist, denn immer wieder, wenn ich einen Deutschen getroffen habe, sagte er mir, dass er Rauchbier nicht möge und eine andere Biersorte bestelle.
Normalerweise ruht man sich als Student im Sommer aus, aber wir besuchten jeden Tag drei Lehrveranstaltungen und lernten sehr viel, sei es in Grammatik-, Landeskunde- oder Wortschatzkursen. Ich bin froh, dass wir zwischen verschiedenen Kursarten – je nach unserem Sprachniveau und unserem Interesse – wählen konnten. So gab es viele Literaturseminare, z.B. zum Thema „Wohlauf, die Luft geht frisch und rein“ – Reise und Wanderschaft im Lied oder Des Mannes liebstes Spielzeug? Geschichten und Lieder rund ums Auto. Neben den obligatorischen Sprachkursen lernten wir alle auch einiges über Bambergs Geschichte und Kultur.
Familiäre Atmosphäre
Ich fand besonders toll, dass zwischen den Lehrenden und den Studierenden keine große Distanz herrschte. Die Lehrer gingen mit uns mal etwas trinken oder unterhielten sich einfach mit uns. Dadurch verlor man auch die Angst vor der Sprache und redete viel mehr. In manchen Seminaren hörten wir nicht nur Vorträge oder lasen Texte, sondern sangen Lieder oder schauten auch Filme. Mittwochs hatten wir keinen Unterricht, sondern sind zusammen gereist und konnten uns dadurch viel besser kennenlernen.
Ich habe in Bamberg vielfältige Eindrücke und Erfahrungen gesammelt. Wenn es klappt, würde ich gerne wieder herkommen. Ich mag diese Stadt sehr, allerdings freue ich mich dennoch, nach Hause zu kommen, weil es meine Heimat ist, die ich liebe und vermisse.
Bis bald, mein Freund.
Hinweis
Dieser Text wurde von Anton Latynin aus Russland verfasst und erschien in der Abschlusszeitung der Sommer-Universität. Hier erscheint der Text in leicht abgeänderter Form.