Studieren ohne Nebengeräusche
Zurzeit studieren sechs Menschen mit einer Hörbehinderung an der Universität Bamberg. Sie können ab sofort kostenfrei zwei induktive Höranlagen mit jeweils einem Sende- und zwei Empfangsgeräten nutzen, die es ihnen ermöglichen, nahezu störungsfrei akustische Signale oder Wortbeiträge drahtlos über Hörgerät oder Kopfhörer zu empfangen. Besonders wertvoll sind diese Geräte daher in Lehrveranstaltungen, die in einer geräuschvollen Umgebung mit beispielsweise Straßenlärm oder Beamereinsatz stattfinden. Die mobile Variante, wie sie die Universität Bamberg jetzt besitzt, hat den Vorteil, dass sie in jeden Raum mitgenommen werden kann. Auch ist geplant, neue und vorhandene Hörsäle sowie die Aula in der Dominikanerkirche mit festen induktiven Höranlagen auszustatten.
Dr. Jörg Wolstein, Professor für Pathopsychologie und Behindertenbeauftragter der Universität Bamberg, und seine Mitarbeiterin Sabina Haselbek, die zugleich Leiterin der Kontaktstelle für Studium und Behinderung ist, haben sich für die Beschaffung der Geräte eingesetzt, die einen Gesamtwert von rund 6000 Euro besitzen. Eine der insgesamt zwei Anlagen soll in den Räumlichkeiten der Innenstadt genutzt werden, die andere steht in der Feldkirchenstraße zur Verfügung. Die Universität Bamberg möchte mit der Anschaffung dieser digitalen Anlagen Menschen mit Hörbeeinträchtigungen helfen, ihr Studium möglichst ohne Beeinträchtigung absolvieren zu können.
Barrierefreies Studieren
„Die induktiven Höranlagen sind eine Investition in die Zukunft, denn postnatale Gehörschäden nehmen immer mehr zu“, meint Sabina Haselbek. „Das Gehör ist ein äußerst empfindliches Organ, mit dem gerade junge Menschen oftmals sehr sorglos umgehen, zum Beispiel wenn sie über den Kopfhörer zu laute Musik hören.“ Ist das Ohr einmal irreparabel geschädigt, helfen selbst die modernsten Hörgeräte, wie zum Beispiel Cochlea Implantate, nur bedingt. „Auch ihnen sind physikalische Grenzen gesetzt“, erklärt Sabina Haselbek. Ihre Funktionsweise erlaube es nicht, Informationen, die durch einen höheren Geräuschpegel überdeckt werden, herauszufiltern. Das heißt, Nebengeräusche wie der Straßenverkehr hören sich für Betroffene in den Lehrveranstaltungen genauso laut an wie die Worte des Redners.
Ein weiteres Problem für Hörgeräteträger entsteht durch die Beschallungsanlagen mit Lautsprechern. Die ins Mikrofon gesprochene Stimme kommt verzerrt und somit nur schwer verständlich beim Hörgeräteträger an. Auch erschwert der starke Hall in größeren Räumen wie Hörsälen das Verstehen. Die induktiven Anlagen schaffen in diesen Punkten Abhilfe. Das Ohr des Schwerhörigen wird unverzerrt erreicht, es gibt keine Beeinflussung durch Nebengeräusche und keinen Wiederhall.
Der akustische Weg wird verkürzt
Das System der induktiven Höranlage besteht aus einem Mikrofon, einer elektronischen Verstärkerschaltung und einer Induktionsschleife. Ein weiterer Bestandteil ist dabei das Hörgerät, das mit einer "Telefonspule" ausgestattet sein muss. Für Menschen ohne Hörgerät stehen Kopfhörer zur Verfügung. Den Verstärker und die Induktionsschleife hängt sich der Studierende um den Hals und das Mikrofon trägt der Dozent. Die Schleife ist ein elektrisches Kabel, das ein elektromagnetisches Feld erzeugt. Dort wird das Schallsignal aus dem Mikrofon des Dozenten in elektrische Impulse verwandelt. Die Elektronik in dem Hörgerät bzw. im Kopfhörer wandelt diesen Strom wieder in Schallwellen um und leitet diese in das Ohr des Benutzers. Das heißt, die Sprache des Redners wird beim Vortrag per Mikrofon aufgenommen und gelangt über die Schleife per Induktion direkt in das Hörgerät oder den Kopfhörer des Zuhörers. Durch diese Verkürzung des akustischen Wegs werden Nebengeräusche im Raum ausgeblendet und es wird nur die Stimme des Dozenten gehört.
Sabina Haselbek hofft, dass das neue Angebot großen Anklang findet und die neuen Höranlagen fleißig ausgeliehen werden. Erhältlich sind sie im Marcus-Haus in der Kontaktstelle Studium und Behinderung und in der Feldkirchenstraße 21 an der Pforte.