Vortrag "Storytime: Depression (Not Clickbait). Narrationen psychischer Erkrankung in Youtube-Videos" am 18.05.24

Bamberger Studentin Jana Lobe referiert bei DGEKW Studierendentagung in Regensburg

Jana Lobe B.A. hält am 18. Mai 2024 im Rahmen der 36. DGEKW Studierendentagung mit dem Motto "Erzähl mir was" einen Vortrag an der Universität Regensburg. Für alle, die es nicht nach Regensburg schaffen, gibt es hier zumindest ein Abstract:

„So…from the title y’all can tell, this video is gonna be a little emotional, um, hopefully I don’t cry. I said I was gonna get through this without crying but depression and anxiety is a really, really, er, touchy topic or subject for me…” – Zania Shai, 122 clicks1

Lange Zeit als Tabu-Thema geltend, sind psychische Erkrankungen in der medialen Berichterstattung mittlerweile weit verbreitet. Prominente äußern sich in Talkshows, Interviews oder eigenen Büchern über ihre Erfahrungen mit Depressionen oder Burnout. Auch auf Social Media hat #Mental Health Awareness Konjunktur. Viele User:innen entscheiden sich dazu, ihre privaten Krankheitserlebnisse mit ihren Followern zu teilen, sei es auf Instagram, TikTok oder YouTube.

Besonders die Videoplattform YouTube bietet mit der Möglichkeit, selbstgedrehte Vlogs unbegrenzter Dauer hochzuladen, ein Forum für mündlich erzählte Betroffenenberichte. Im sogenannten Storytime-Format sprechen Videoproduzent:innen monologisch über persönliche Themen und konflikthafte Episoden ihres Lebens.

Die von Lehmann beschriebenen „Erfahrungen aus zweiter Hand“2 bilden auf YouTube ein audiovisuelles algorithmisiertes Archiv, sie sind durch Onlinesuche auffind-, klick und abrufbar. Die durch Temporalität gebundene Erzählung wird konserviert, der Adressat:innenradius ist für den Erzählenden nicht abzuschätzen. Gerade für die Thematisierung außeralltäglicher, sensibler Inhalte ist die Wahl dieser Erzählsituation bemerkenswert. Akteur:innen sehen sich deshalb mit kritischen Stimmen konfrontiert, sie wollten sich durch ihre erzählerische Strategie in der monetarisierten Aufmerksamkeitsökonomie Vorteile verschaffen.

Von Patient:innen zu Produzent:innen, zwischen Selbstdarstellung und Selbsttherapie – die Erstellung wie Rezeption dieser autobiographisch-narrativen Uploads bieten Anlass für kulturwissenschaftlich-narratologische Forschung.
Unter folgenden erzählkulturellen Fragestellungen möchte ich mich dem Themenkomplex annähern: Welche narrativen Strukturen, welche Gattungskonventionen des Storytellings liegen den autodokumentarischen Vlogs zugrunde? Welche Narrationen von Depression verbreiten Produzent:innen und (wie) formen oder verändern sie damit das gesellschaftliche Narrativ? Welche Funktion hat ihr öffentliches Erzählen im Hinblick auf ihre eigene Identität, jedoch auch im Hinblick auf eine Community?
Durch Inhaltsanalyse eines Korpus an deutsch- wie englischsprachigen Storytime-Videos möchte dieser Tagungsbeitrag die Mechanismen, Motivationen und Problematiken des Krankheits-Erzählens auf YouTube beleuchten. Dabei ist er angesiedelt an der Schnittstelle zwischen moderner Erzählforschung, digitaler Anthropologie und Medikalkultur.

1 Zania Shai [YouTube-Channel]: Story Time: I suffer with Depression and Anxiety (not clickbait). Hochgeladen am 07.05.2021. Online unter: www.youtube.com/watch (Stand: 24.01.2024).
2 Lehmann, Albrecht: Reden über Erfahrung. Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens. Berlin 2007, S. 10.
CfP zur 36. Studierendentagung der dgekw „Erzähl mir was“ in Regensburg, 17. bis 20. Mai 2024

Über die Autorin

Jana Lobe hat in ihrer Bachelorarbeit narratologisch geforscht – jedoch im Bereich der Latinistik. In ihrer Masterarbeit in der Europäischen Ethnologie forscht sie zur Nachhaltigkeit in der gegenwärtigen Sepulkralkultur. Die Selbstdarstellung in akademischen Kurzbiographien wie dieser findet sie ebenso untersuchenswert wie die Bereiche Religiosität/Spiritualität, Wissenschaftsgeschichte und Arbeitskultur (u.a.).

PS Auf der Webseite der EuroEthno gibt es Unterseiten mit Infos zu Tagungen sowie zu Abschlussarbeiten.