DFG-Projekt "Politische Interessenkommunikation 1867-1914"
Im Zentrum des Projekts steht die Kommunikation und Durchsetzung politischer Interessen. Der Regierungsbezirk Potsdam ist aufgrund seiner zentralen Lage, als einer der größten und wichtigsten der preußischen Monarchie und als jener, in dem sich der soziale, politische und ökonomische Wandel im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert am dynamischsten vollzog, ausgewählt worden.
Für die zeitliche Begrenzung (1867 bis 1914) spricht, dass sozialer, ökonomischer und politischer Wandel in diesen Jahrzehnte besonders dynamisch verlief und die politische Interessenkommunikation in jenen Jahren sich besonders vielschichtig gestaltete. Zudem fanden die Quellen 1867 ihre endgültige Form, die bis zum Ersten Weltkrieg nicht mehr geändert wurde.
In empirischer und theoretischer Hinsicht soll mit dem Projekt Neuland betreten werden, thematisch soll ein höchst aktuelles Sachgebiet behandelt werden, als Datenbasis sollen in der Kommunikations- und Geschichtswissenschaft bislang eher randständig betrachtete Quellen ausgewertet werden:
- Mit einem Mehrmethodendesign soll das Projekt quantitativ-inhaltsanalytische mit historisch-quellenkritischen Untersuchtungstechniken kombinieren.
- Theoretisch soll es an die Entscheidungsfindungstheorie von Buchanan und Tullock angeknüpfen, um Aushandlungsprozesse und Rückkopplungsprozesse bei Interessenkonflikten untersuchen zu können.
- Thematisch soll es die preußisch-deutsche Modernisierungspolitik, darunter insbesondere die Infrastruktur und Umweltschutzpolitik im 19. Jahrhundert analysieren.
- Als Quellenbasis werden die Immediatzeitungsberichte (Zeitung = Nachricht) des Regierungsbezirks (Berlin) Potsdam zur Analyse herangezogen und sowohl mit vor- und nachgelagerten Berichtsstufen als auch mit Amtskorrespondenzen desselben Zeitraums verglichen.
Die Immediatzeitungsberichte waren immediat an den König gerichtet. Sie enthalten Informationen über agrarische, handwerkliche und industrielle Wirtschaftsverhältnisse, über Kultur- und politische Fragen, zu Presse und öffentlicher Meinung. Sie sind die zentrale Quelle, mit denen der jeweilige Regierungspräsident Quartal für Quartal über seinen Bezirk Rechenschaft abgab. Somit stehen sie in im Zentrum der Überlieferung: von ihnen ausgehend lässt sich das kommunikative, politisch-öffentlichkeitsrelevante Handeln im Regierungsbezirk nachzeichnen. Die Berichte dienten als Mittel zur Kommunikation der Interessen im Regierungsbezirk und zwischen Bezirks- und Staatsregierung. Die Kontextualisierung der Immediatzeitungsberichte im Netzwerk der politischen Interessen ergibt verschiedene Rückkopplungsschleifen, denen die Antragsteller in allgemeinerer Form schon nachgegangen ist. Diese Rückkopplungen erscheinen dem politischen Aushandlungsprozess inhärent. Sie wurden in der Forschung bislang nicht genügend berücksichtigt.
Projektleitung
Prof. Dr. Rudolf Stöber, Universität Bamberg (federführend); Prof. Dr. Klaus Neitmann, Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam.
Laufzeit: Drei Jahre ab 2014.